Montag, 25.01.2021

Ulcus cruris – vor allem im Alter ein Problem

Interview mit Dr. med. Reinhold-Volkmar Parth, Leiter Dermatochirurgie an der PsoriSol Hautklinik

 Herr Dr. Parth, Ulcus cruris, das klingt kompliziert. Worum handelt es sich dabei genau?

Das Ulcus cruris wird umgangssprachlich auch als „offenes Bein“ bezeichnet.

Es handelt sich um eine tiefe, meist nässende Wunde am Unterschenkel. Oftmals weicht die daneben liegende Haut auf, es kommt zur Keimbesiedelung oder Infektion der Wunde. Wird ein Ulcus cruris über längere Zeit nicht angemessen behandelt, kann die Flächenausdehnung der Wunde die Innen- und Außenknöchelregion einbeziehen und bei extremer den gesamten Unterschenkel (Gamaschenulcus) umfassen.

Betroffen sind sehr häufig Menschen über 70 Jahre, wobei Frauen etwas häufiger darunter leider als Männer.

Wie entsteht ein „offenes Bein“?

Mehrheitlich liegen dem Ulcus cruris Störungen im venösen Bereich (Ulcus cruris venosum) zugrunde. Etwa jeweils 10 Prozent sind ausschließlich arteriellen Ursprungs (Ulcus cruris arteriosum) bzw. weisen eine gemischt arteriell-venöse Ursache (Ulcus cruris mixtum) auf. In weiteren 10 Prozent sind andere Ursachen verantwortlich, wie z. B. Autoimmunerkrankungen, Infektionen oder Tumoren.

Die Entstehung eines Ulcus cruris wird durch eine Störung der Mikro- und Makrozirkulation von Gewebearealen am Unterschenkel verursacht. Die Minderdurchblutung bedingt eine Mangelversorgung des Gewebes und letztendlich auch der Haut (Hypodermitis). Das Unterhautgewebe und die Haut werden unelastisch (Dermatolipo(faszio)sklerose). Eine verstärkte bräunliche Pigmentierung der Haut und eine typische Gefäßzeichnung (Corona phlebectatica paraplantaris) weisen auf ein Fortschreiten der krankhaften Gewebeprozesse hin.

 Wie wird ein Ulcus cruris diagnostiziert?

Für die Diagnosestellung eines Ulcus cruris ist neben der Erhebung der Anamnese eine phlebologische bzw. angiologische Abklärung durch entsprechende apparativ-technische Untersuchungen anzustreben. Bei therapieresistenten oder morphologisch auffälligen Geschwüren ist eine Gewebeprobe angezeigt, um ein bösartiges Geschehen auszuschließen.

Ist eine spontane Abheilung nicht erkennbar, so muss eine Wundbehandlung, die sich an den individuellen Wundverhältnissen orientiert, eingeleitet werden.

Wie sieht so eine Wundbehandlung aus?

Die konservative Behandlung umfasst die Reinigung der Wunde und der umgebenden Haut sowie die Beseitigung von Infektionen. Die Wundbehandlung erfolgt durch spezielle Wundverbände (Exsudatmanagement) und gegebenenfalls durch spezielle Verbandstechniken, wie z. B. die Vakuumversiegelung. Liegt ein Stauungsekzem vor, so ist eine entsprechende Dermatotherapie des Ekzems ebenfalls angezeigt.

Bei sehr starker Schwellung der Beine kann eine Lymphdrainage angezeigt sein. Die zweite wichtige Säule ist die Mobilisierung (Muskelpumpe) unter Kompression. Unter diesen Therapiemaßnahmen kann ein Ulcus cruris abheilen und das Risiko eines Rezidivs gesenkt werden.

Wann reichen diese Maßnahmen nicht mehr aus?

Die Indikation zur operativen Behandlung ist gegeben, wenn nach optimaler Durchführung aller konservativen Maßnahmen eine Therapieresistenz besteht, das heißt, wenn innerhalb von 3 Monaten keine Heilungstendenz erkennbar ist oder das Ulcus nach 12 Monaten nicht abgeheilt ist (Leitlinie der DGP).

Welche Möglichkeiten der operativen Behandlung gibt es?

Die chirurgischen Maßnahmen beinhalten vier therapeutische Ansätze. Ist primär die operative Sanierung des Gefäßsystems indiziert, so ist dieser kausale Therapieansatz durch spezielle Zentren zu favorisieren. Beim therapieresistenten Ulcus cruris ist ansonsten die Shave-Therapie die operative Methode, die Wahl. Hierbei erfolgt nach tangentialer Abtragung von Fibrosen und Nekrosen sowie nach entsprechender Wundkonditionierung die Defektdeckung, wobei körpereigenes Gewebe Verwendung findet, zumeist in Form der Spalthaut-Transplantation.

Eine angepasste prä- und postoperative Schmerztherapie trägt zur Verbesserung der Schmerzsymptomatik, der Mobilität und der Lebensqualität bei.

Erfolgt die operative Behandlung in Narkose?

In Abhängigkeit der Größe und der Tiefenausdehnung des Ulcus cruris ist eine operative Behandlung in lokaler Betäubung möglich. Bei sehr ausgedehnten, tiefreichenden Geschwüren mit transfaszialen Nekrosen oder bei Therapieversagen einer Shave-Therapie kann vor der geplanten Defektdeckung gegebenenfalls eine Fasziektomie erforderlich sein, die in Vollnarkose durchgeführt wird.

Was dürfen sich Patienten von einer Ulcus-Behandlung an der PsoriSol erwarten?

In der PsoriSol Hautklinik erwartet die Patienten ein umfassendes Konzept zur Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris. Seit Jahren ist ein modernes Wundmanagement etabliert, welches in Abhängigkeit von der Schwere alle Behandlungsoptionen ermöglicht. Die enge Kooperation mit den niedergelassenen Dermatologen und Hausärzten gewährleistet die kontinuierliche Betreuung der Patienten: Bereits während des stationären Aufenthaltes wird die poststationäre Verbandsbehandlung durch entsprechende ambulante Pflegedienste organisiert.

 

Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Parth!

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